Wie mir eine Fremde Kaffee schenkte

Gestern.
Ich war kurz einkaufen, nur das Nötigste, und merkte, dass ich meine Bankkarte nicht dabei hatte. Im Portemonnaie waren gerade dreissig Franken. Das würde knapp werden, dachte ich, als ich meine Einkäufe auf das Laufbahn stapelte. Tatsächlich fehlten mir drei Franken.

Es hatte sich schon eine Schlange hinter mir gebildet. Die nächste Kundin, eine schöne, blonde Frau mit langen Haaren, sagte leise zu mir: "Brauchen Sie Geld? Ich gebe Ihnen was."
Freundlich lehnte ich ab und schob gleichzeitig der Kassiererin den Kaffee zurück. Sie scannte alles neu und ich konnte zahlen.

Freundlich verabschiedete ich mich und verliess den Laden.
Ich kam nicht weit. Die blonde Frau holte mich rasch ein, tippte mir auf die Schulter und sagte: "Kaffee braucht jeder!" Mit diesen Worten streckte sie mir die Verpackung hin, die ich liegen liess, weil das Geld nicht reichte.

Ich schaute so erstaunt wie peinlich berührt. Sie nickte nur mitfühlend und sagte: "Ich kenne das, wissen Sie."
Und weg war sie.

Da stand ich also und machte, dass ich wegkam. Die Situation war so schräg, so ungewohnt für mich. Normalerweise bin ich diejenige, die anderen Geld gibt, die einem Obdachlosen was in die Hand drückt oder Dinge verschenkt, die ich nicht mehr brauche. Jetzt war ich nun in einer anderen Rolle und, zugegeben, die gefiel mir nicht. Ich prüfte mich im Spiegel zuhause: War es der Mantel, den ich trug? Die Schuhe, die Tattoos, die am rechten Arm in meine Hand übergehen und sichtbar sind, auch wenn ich lange Ärmel trage? Oder war es vielmehr einfach die Nettigkeit einer Frau, der ich zufälligerweise begegnet bin?
Ich habe mich für letzteres entschieden, um meine innere Ruhe zu haben.

Die Covid Situation spaltet die Gesellschaft, schreiben die Medien. Nein, meine ich. Sie macht uns eher bewusst, was wirklich wichtig ist im Leben: Liebe & Emphatie. Und so lange es Menschen gibt, die anderen Kaffee schenken, ist die Welt weitab von einer egoistischen Grundhaltung.

Danielle Ochsner