Das Leben ist ein Kaugummi

Der Platz war so belebt, wie er es an einem Samstag während der Ladenöffnungszeit wohl immer ist. Es war kalt: Wenn ich durch die Nase einatmete, hatte ich das Gefühl, dass mir die Nase gefror. Ich vermisste meine Mütze, die zuhause liegen geblieben war, als ich den Mann am Boden sitzen sah. Er tat dies mit der Gelassenheit eines indischen Mönches, die man üblicherweise auf den Fotos sieht, die immer mit einem klugen Zitat aus im Internet kursieren. Der Boden, auf dem er sass, war gefroren. Er trug schmutzige Hosen, einen Bart und den Blick an den Füssen der Menschen vorbei auf das andere Ende des Platzes gerichtet. Neben ihm lagen ein paar Münzen. Ich fragte mich, gestern wie auch sonst wenn ich Menschen sehe, die am aussen am Rand des sozialen Lebens stehen, was in ihrer Biografie geschehen ist, dass sie aus dem Netz gefallen sind.
Oder ob sie niemals drin waren ?

Eine Stunde später, ich hatte ihn schon wieder vergessen und fror in dieser fremden Stadt noch immer, sah ich ihn wieder. Er stand bei einem altmodischen Kaugummiautomaten, die man zuweilen noch sieht: Man wirft oben Münzen ein und kann den süssen Kugeln zusehen, wie sie in spiraligen Loops nach unten rollen, wo sie anschliessend bei der Klappe entnommen werden können. Er warf  also entsprechend oben die Münzen ein, die passten, die anderen steckte er sich in die Taschen, und sah, trunken wie mir schien, den farbigen Kugeln zu, die sich rotierend und wirbelnd dem Ende entgegen kugelten.

Dabei lächelte er, verzückt und nach innen (doch, das geht ), und schien dabei mit sich und der Welt in absolutem Einklang zu sein.

Die Menschen um uns herum zogen mich weg von ihm, von meiner Betrachtung, die ich gerne noch ein wenig genossen hätte. Ich floss mit der Herde mit. Während er vermutlich noch die letzte Münze in den Automaten warf und dabei glückselig den Lauf der Kugel genoss.

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